Interview mit unserer Lern-Expertin Christiane
Hallo Christiane! Was ist deine genaue Aufgabe beim IHR?
Aktuell baue ich gemeinsam mit einem unserer Kunden eine Lernplattform rund um das Thema „psychosoziale Gesundheit“ auf. Darunter zählt zum einen die konkrete Gestaltung der Lernplattform an sich auf der die Lernenden zu den einzelnen Kursen gelangen können, zum anderen entwickle ich die konkreten Lerninnhalte. Das heißt, die Zusammenstellung der Kurse und wie welche Lerninhalte auf welche Art und Weise präsentiert werden.
Das IHR bietet vor allem Workshops in Präsenz, aber auch online an. Was ist für dich als „Lern- und Bildungsexpertin“ bei der Gestaltung von Workshops besonders wichtig?
Für mich stehen die Lernenden im Vordergrund. Mir ist es wichtig, dass sie von unseren Workshops etwas für sich mitnehmen und in ihren Alltag integrieren können. Dies kann auf unterschiedlichste Weise passieren. Einige Elemente unserer Workshops möchte ich gerne exemplarisch darstellen:
Beispielsweise werden unsere Lernenden im Laufe eines Workshops mit verschiedenen Übungen, Fragebögen oder Lernspielen konfrontiert. Das fördert die aktive Auseinandersetzung mit Inhalten enorm. Bei einem Kommunikationstraining können die Lernenden bspw. in dem „Trainingskarussell“ direkt das Gelernte mehrfach in einer simulierten Gesprächssituation ausprobieren und erhalten sofort ein Feedback dazu – alles in einem geschützten Rahmen. Wer so schon mal ein Kritikgespräch geführt hat, dem fällt es im realen Leben leichter.
Außerdem binden wir immer wieder Fallbeispiele ein, um den Transfer in den Alltag leichter zu machen. Die Fallbeispiele sind auf die jeweilige Zielgruppe abgestimmt, sodass schnell ein Bezug hergestellt werden kann.
Was uns besonders wichtig ist, ist die Integration der Erfahrung von Lernenden. Wir nehmen jeden einzelnen unserer Lernenden ernst, begegnen ihnen auf Augenhöhe und binden ihre Erfahrungen und Erlebnisse aktiv in unsere Workshops ein. Oft zeigt sich, dass bereits ein großer Erfahrungs-Reichtum besteht und die „Schwarmintelligenz“ der Gruppe wunderbar genutzt werden kann.
Du sagtest, dass du aktuell eine Lernplattform und deren Lerninhalte entwickelst. Wie unterscheidet sich das Lernen im digitalen Kontext vom Lernen in Präsenz-Veranstaltungen?
Das ist eine sehr umfassende Frage. Lernen ist so komplex und so facettenreich, dass man ganze Bücher mit der Beantwortung der Frage füllen kann. Ich möchte mich kurzfassen und konzentriere mich daher lediglich auf ein interessantes Forschungsergebnis, dass viele vielleicht schon bei sich selbst erlebt haben: Zoom-Fatigue, also die aufkommende Müdigkeit während Videokonferenzen. ForscherInnen fanden heraus, dass oftmals eine Müdigkeit während Videokonferenzen auftritt und dass sich Menschen durch häufige Videokonferenzen müde, überwältigt, ängstlich oder generell ausgelaugt fühlen. Es sei sehr fordernd, pausenlos auf den Monitor zu schauen, gepaart mit der empfundenen Erwartungshaltung, die ganze Zeit in die Kamera schauen zu müssen. Auch sei es anstrengend, nicht nur die Kollegen und Kolleginnen die ganze Zeit zu sehen, sondern auch sich selbst. Diese permanente Sichtbarkeit ist ein großer Unterschied zu Präsenz-Veranstaltungen. Dort sieht man den Trainer oder die Trainerin, je nach Blickrichtung zwei bis drei Teilnehmende, aber nicht sich selbst… Wir halten deshalb unsere Online-Workshops kurz und knackig, so beugen wir dem Phänomen der Zoom-Fatigue vor.
Digitales Lernen auf Lernplattformen und eLearning ist immer mehr auf dem Vormarsch - nicht nur in Schulen und Unis, sondern auch im Weiterbildungskontext für Unternehmen. Was ist deiner Meinung nach der Mehrwert von digitalen Lernplattformaten gegenüber klassischen Weiterbildungsformaten?
Gerade habe ich über eine Herausforderung von Videokonferenzen gesprochen, daher freue ich mich nun einige ausgewählte Vorteile vom Online-Kontext zu nennen, denn von diesen gibt es viele.
Digitale Lernformate, insbesondere, wenn es sich um Selbstlerneinheiten handelt, können wunderbar in den Arbeitsalltag integriert werden. Der / die Lernende kann sie bearbeiten, wann und wo er / sie es möchte.
Zudem können zielgerichtet Lerninhalte von Lernenden selbst ausgesucht werden, die gerade für ihn oder sie wichtig sind und dem Vorwissen entsprechen.
Lerninhalte sind jederzeit und auch wiederholt abrufbar. Wenn man etwas noch einmal nachschauen möchte, weil der Online-Kurs schon etwas her ist, ist das überhaupt kein Problem.
Wenn wir in den Bereich der Szenarios gehen, können Lernende verschiedene Verhaltensweisen ausprobieren und erhalten direktes Feedback dazu – allerdings nicht im realen Leben, sondern im geschützten Rahmen des digitalen Lernens.
In welcher Situation können solche digitalen Lernangebote besonders hilfreich sein? Für wen schätzt du sie als besonders wertvoll ein?
Durch das hohe Maß an Flexibilität, sind digitale Lernangebote besonders gut für Menschen geeignet, die aktuell keine Kapazität für eine ganz- oder halbtags Präsenz-Veranstaltung haben. Digitale Lernangebote sind oft niederschwellige Lernangebote, die Menschen annehmen, die sonst nicht mit dem Thema in Verbindung gekommen wären.
Gibt es hier Unterschiede zwischen Erwachsenen und Kindern/Jugendlichen? Wie lernen Erwachsene besonders gut?
Ja, es gibt Unterschiede. Hier konzentriere ich mich auf den motivationalen Aspekt. Kurz gesagt: Kinder lieben es zu lernen und lernen ständig: beim Spielen, beim Erkunden, beim Löcher in den Bauch fragen. Bei Jugendlichen geht diese Freude am Lernen mitunter verloren. Bei Erwachsenen hingegen erlebe ich eine große Motivation, wenn sie wissen, wozu sie etwas lernen, wie sich durch das Gelernte ihr Alltag erleichtern oder ein vorhandenes Problem lösen lässt. Deshalb ist es für uns essenziell, Lernangebote lebensnah zu gestalten, und die Lernenden und deren Problemstellungen aktiv einzubinden.
Welche Hürden siehst du für das digitale Lernen in der Erwachsenenbildung?
Ich sehe, dass aktuell bestehende Hürden immer weiter abgebaut werden. Beispielsweise ist eine Hürde, dass es keine angemessenen Endgeräte auf der Arbeitsstelle (Laptop, Tablet, Smartphone etc.) für digitales Lernen gibt. Viele Unternehmen haben – auch durch die Corona-Pandemie – enorm in die digitale Infrastruktur investiert und daher wird diese Hürde kleiner. Zudem besteht eine Hürde in den technischen Fertigkeiten der Teilnehmenden. Auch hier: Durch die Corona-Pandemie haben viele Menschen ihre digitalen Kompetenzen enorm ausgebaut.
Ich denke, dass wir uns aktuell dorthin entwickeln, dass blended learning Formate (eine Mischung von Online-Kurse, Online-Workshop, Präsenz-Veranstaltungen etc.) die gängigen Weiterbildungsformen werden. Denn spannende, didaktisch gut durchdachte digitale Lernangebote und interaktive Präsenz-Veranstaltungen ergänzen sich wunderbar und können zu sehr nachhaltigem Lernen führen.
Liebe Christiane, danke für deine spannenden Antworten!
Christiane Klein ist unsere „Bildungsingenieurin“ und feiert bald ihr 10-jähriges Jubiläum bei uns. Hauptsächlich beschäftigt sie sich mit der Frage, wie Lernen zielführend und nachhaltig gestaltet werden kann. Aktuell stehen bei ihr digitale Lernformate im Fokus. Von Haus aus ist sie studierte Erziehungswissenschaftlerin mit Schwerpunkten in Erwachsenenbildung und Instructional Design.
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